Der Hameau de la Reine ist das letzte Bauprojekt des Ancien Régime in Versailles. Die von Marie-Antoinette in Auftrag gegebene und zwischen 1783 und 1789 durch Richard Mique erbaute Gartenanlage besteht aus einem um einen künstlichen Weiher angelegten Ensemble von zwölf Bauernhäusern. Manche der nach unterschiedlichen Funktionen benannten Gebäude (Moulin, Grange, Laiterie, Maison du Garde etc.) waren von dort arbeitendem Personal bewohnt oder dienten der agrikulturellen Produktion, andere waren als Räume des divertissements Marie-Antoinette vorbehalten. Während die Gebäude von außen aufgrund der Strohdächer, Steinmauern und des aufgemalten Schmutzes als vermeintlich vernakuläre Architektur erscheinen, waren die Innenräume teilweise prunkvoll ausgestattet. Der Hameau de la Reine ist somit durch eine Widersprüchlichkeit gekennzeichnet, die sich am Status der Authentizität zeigt: Einerseits wird – durch die tatsächliche Produktivität und das arbeitende Personal sowie den auf rurale Bauten verweisenden Baustil – der Anspruch for­muliert, dass es sich um einen echten Bauernhof handele. Andererseits wird diese Echtheitsbehauptung als Teil eines ästhetischen Kalküls erkennbar, inso­fern die Agrikultur, die Belebtheit und die Vernakularität der Gebäude keinen Selbstzweck bekunden, sondern primär zum Objekt eines Blicks werden. Der Status des Authentischen ist demnach prekär, denn sobald die dahinterste­hende Konstruktionsleistung – die Darstellung von Authentizität – erkannt wird, kippt das vermeintlich Authentische in sein Gegenteil und erscheint damit als etwas Künstliches. Dass sich dies alles am französischen Hof unmit­telbar vor der Revolution ereignete, sagt dann schließlich auch etwas über eine Herrschaftspraxis aus, die es erlaubte, selbstverständlich über andere Körper zu verfügen. Die Opposition zwischen »echt« und »künstlich«, die Paradoxie der Darstellung von Authentizität und generell der Imperativ der Authentizität sind keine ahistorischen Behauptungen, sondern sind in einem konkreten kulturellen Kontext verwurzelt, der auf den Namen »Empfindsamkeit« hört.